Ergebnisse
Hier finden Sie einige zentrale Ergebnisse der bundesweiten Online-Befragung unter 510 Fach- und Führungskräften der Kinder- und Jugendhile, die im September/Oktober 2022 durchgeführt wurde.
Bei einer Nutzung der hier vorgestellten Ergebnisse bitten wir um Angabe der Quelle wie folgt:
Schulten, C. & Tetens, J. (2023): Wirksame Teamleitung - Erste Ergebnisse einer Befragung zu Teamleitungsmodellen in der Kinder- und Jugendhilfe. Aufgerufen am TT.MM.JJ, verfügbar unter www.wirksameteamleitung.de
Ein ausführlicher Beitrag zu den Ergebnissen des Forschungsprojektes ist im Januar 2024 in der Fachzeitschrift Evangelische Erziehungshilfe erschienen und kann hier heruntergeladen werden.
Falls Sie Interesse haben an einer Vorstellung der Studienergebnisse innerhalb ihres Trägers, ihres Verbandes etc., kontaktieren Sie uns gerne.
Arbeitsbereich der Befragten
Berufliche Position der Befragten
Über welche Eigenschaften sollte eine gute Teamleitung Ihrer Ansicht nach verfügen?
Was motiviert Ihrer Ansicht nach Menschen, die Aufgabe einer Teamleitung zu übernehmen?
Welche Voraussetzungen muss eine Person mitbringen, um in Ihrer Einrichtung als Teamleitung tätig zu werden?
Wie viel Zeit hat eine Teamleitung bei Ihnen in der Einrichtung durchschnittlich pro Woche für Ihre Leitungsaufgaben zur Verfügung?
Was ist Ihrer Ansicht nach die größte Herausforderung in der Arbeit als Teamleitung?
Gibt es bei Ihrem Träger selbstorganisierte Teams ohne eine explizite Teamleitung, Gruppenleitung, Teamkoordination o.ä?
Wenn Sie Erfahrung mit selbstorganisierten Teams haben: Welche Aspekte werden gefördert, welche werden gehemmt?
Bei der Frage, was Menschen motiviert, die Aufgabe einer Teamleitung in der Kinder- und Jugendhilfe zu übernehmen, zeigen sich je nach beruflicher Position unterschiedliche Einschätzungen: Von allen Führungsebenen werden Gestaltungsmöglichkeiten und Verantwortungsübernahme (beides über 80 Prozent) deutlich häufiger als Motive genannt als von Mitarbeitenden (56 beziehungsweise 54 Prozent). Diese benennen dagegen häufiger Vergütung, Einfluss und Macht sowie Karrierestreben als mögliche Motive von Teamleitungen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass hinsichtlich der Motive, Leitungsaufgaben zu übernehmen, offenbar auf Seiten von Mitarbeitenden nicht selten Halbwissen und (falsche) Zuschreibungen bestehen. Es scheint daher sinnvoll zu sein, hierarchieübergreifend ins Gespräch zu kommen über Fragen von Führung, Rolle und persönlicher Motivation. Auf diese Weise kann das Interesse von Mitarbeitenden an der Übernahme einer Führungsrolle unterstützt und der nach wie vor weit verbreitete Mythos der Macht auf der Ebene der Führung relativiert werden.
Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, um als Teamleitung tätig zu werden? Hier ergibt sich folgendes Bild: Persönliches Engagement wird als am wichtigsten eingeschätzt, die höhere Leitungsebene (Vorstände, Geschäftsführungen) bewertet diesen Aspekt sogar noch häufiger als wichtig. Nur rund ein Drittel aller Befragten geben die Formalqualifikation eines Studiums in Sozialer Arbeit als Voraussetzung an. An dritter Stelle folgt gute Menschenkenntnis. Eine weiterführende Qualifikation im Bereich Sozialmanagement oder beraterische Qualifikationen werden hingegen nur von Wenigen als Voraussetzung gesehen.
Gerade mit Blick auf die insgesamt hohe Arbeitsbelastung in der Kinder- und Jugendhilfe – die auch von unserer Studie bestätigt wird – erscheint die Betonung des persönlichen Engagements als Voraussetzung zur Übernahme einer Teamleitungsfunktion bedenklich, da dies Burnout-Strukturen befördern kann. Zudem besteht das Risiko, dass Führungsthemen und -aufgaben individualisiert werden, statt ihre systemisch-strukturelle Verwobenheit in den Blick zu nehmen. Hier sollte bei der mittleren und höheren Leitungsebene ein Bewusstsein für dieses Risiko geschärft werden. Zudem sollten differenzierte Anforderungskataloge Anwendung finden.
Laut den Ergebnissen der Befragung bestehen die zentralen Aufgaben der unteren Leitungsebene in der Dienst- und Urlaubsplanung, der Konfliktklärung und der Moderation von Teamsitzungen und Fallbesprechungen. Eine wertschätzende Haltung, Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Selbstreflexion werden wiederum als wichtigste positive Eigenschaften einer Teamleitung eingeschätzt. Diese Ergebnisse sind relevant für Auswahlverfahren sowie Fort- und Weiterbildungen von Teamleitungen und sollten dort mehr als bisher in den Fokus gerückt werden. Interessant ist, dass trotz der oben genannten Aufgaben die Kompetenzen zum Umgang mit Konflikten sowie Moderationskenntnisse bei den Voraussetzungen für Teamleitungen nicht auftauchen. Hier scheint ein blinder Fleck zu bestehen.
Hinsichtlich der Möglichkeiten zur Qualifizierung als Teamleitung zeigt sich ein Entwicklungsbedarf, denn viele Mitarbeitende ohne Führungsfunktion bewerten die aktuellen Möglichkeiten als nicht ausreichend. Für die Gewinnung von Nachwuchsführungskräften in der Kinder- und Jugendhilfe werden also offensichtlich einerseits mehr Angebote und andererseits auch mehr Kommunikation über diese benötigt.
Angesichts der Fülle an Aufgaben von Teamleitungen in der Kinder- und Jugendhilfe stellt sich die Frage, wieviel Zeit ihnen durchschnittlich pro Woche für Leitungsaufgaben zur Verfügung steht. Die Ergebnisse sind hier heterogen und zeigen, wie viele unterschiedliche Teamleitungs-Modelle es offenbar gibt: Die Hälfte der Befragten gibt an, dass zwei bis zehn Stunden zur Verfügung stehen, mehr als 20 Stunden sind es nur in 18 Prozent der Fälle.
Ein interessanter Zusammenhang zeigt sich, wenn man die persönliche Zufriedenheit mit der aktuellen Arbeitssituation und die Leitungsstunden einer Teamleitung miteinander kreuzt: Befragte aller Hierarchieebenen, bei denen die Teamleitungen mit mehr als elf Stunden für Leitungsaufgaben ausgestattet sind, sind tendenziell zufriedener als Befragte, bei denen die Teamleitung weniger Leitungsstunden zur Verfügung hat.
Bei der Frage nach dem Entscheidungsspielraum einer Teamleitung zeigen sich je nach eigener beruflicher Position deutliche Unterschiede: Fast 80 Prozent der höheren Leitungsebene schätzt die Entscheidungsbefugnisse von Teamleitungen als eher groß beziehungsweise sehr groß ein. Bei den Teamleitungen selbst tun dies nur zu 65 Prozent und bei den Mitarbeitenden schätzen nur 51 Prozent die Befugnisse als groß bis sehr groß ein.
Auch hier wird ein Zusammenhang zur Arbeitszufriedenheit aller Befragten erkennbar: Je größer der Entscheidungsspielraum der Teamleitungen in der Einrichtung ist, desto höher ist die Zufriedenheit aller Beteiligten selbst, auch die der höheren Leitungsebenen sowie der Mitarbeitenden.
Eine gute Ausstattung von Teamleitungen mit Zeitressourcen, das Bemühen um Transparenz über ihre Befugnisse und ein größerer Entscheidungsspielraum wirken sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit aller Beteiligten aus. Entsprechende Investitionen in gute Rahmenbedingungen für die Arbeit der Teamleitungen lohnen sich also offenkundig, trotz aller Widerstände bei vielen Kostenträgern.
In der Befragung wurde auch die Möglichkeit selbstorganisierter Teams thematisiert, das heißt Teams, die ohne explizite Teamleitung, Gruppenleitung, Koordination oder eine ähnliche Stelle arbeiten. Knapp ein Viertel der Befragten gibt an, dass es beim eigenen Träger selbstorganisierte Teams gibt.
Bezüglich der Frage, ob selbstorganisierte Teamarbeit eher Vorteile oder eher Nachteile birgt, ist das Meinungsbild relativ ausgeglichen: 56,5 Prozent sehen (eher) Nachteile, während 43,5 Prozent (eher) Vorteile sehen. In vertiefenden Interviews mit einzelnen Mitarbeitenden, Führungskräften verschiedener Hierarchiestufen und Experten wurde deutlich, dass die höhere Leitungsebene durch fehlende direkte Verantwortlichkeit eher mehr Chaos befürchtet. Gleichzeitig schätzen Führungskräfte es insgesamt so ein, dass die Mitarbeitenden vor allem die positiven Aspekte sehen.
Die Befragten, die bereits Erfahrung mit selbstorganisierten Teams sammeln konnten, wurden darum gebeten, einzuschätzen, welche Aspekte ihrer Ansicht nach in selbstorganisierten Teams eher gefördert und welche eher gehemmt werden. Nach ihrer Ansicht werden in selbstorganisierten Teams insbesondere Selbstwirksamkeit, Verantwortungsübernahme, die Freiheit jedes einzelnen Teammitglieds, Motivation sowie die fachliche Kooperation gefördert, während ein reibungsloser organisatorischer Ablauf, die Entscheidungsfindung und das Umsetzen von Veränderungen eher gehemmt werden.
Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die Einführung von Aspekten selbstorganisierter Teamarbeit einer guten Begleitung bedarf, um die erhofften positiven Effekte zu erlangen und die möglichen negativen Folgen zu minimieren. Vor allem sollte Selbstorganisation nicht mit Strukturlosigkeit verwechselt werden.